Korčula
Auf der Mittelmeerinsel ließ sich Ziegler erneut vom Erlebnis der Landschaft faszinieren, die er in zahlreichen naturalistischen Pastellen darstellte. Gleichzeitig arbeitete er an eindrucksvollen Zeichendruckfolgen. Ein Zyklus illustrierte Heinrich Manns Roman über den französischen König „Henri Quatre“. Schonungslose Monotypien widmete Ziegler den Tätern des Dritten Reiches und deren Opfern. Mädchen und Frauen waren die Motive der dritten Zeichendruckserie mit dem Titel „Frauenbuch“.
In seiner Autobiographie „All das Vergangene“ berichtet der Schriftsteller und Psychologe Manès Sperber (1905–1984) über einen Besuch im Sommer 1933:
„Wir verbrachten die Sommermonate auf der Insel Korčula, die mir der deutsche Maler und Graphiker Richard Ziegler und seine Frau Edith gerühmt hatten. Sie besaßen dort ein Haus mit einem großen Garten, der uns in den heißesten Stunden Schatten spendete und die Kühle des Mistrals, der, zahmer als der Mistral aus dem Rhônetal, sich meist am frühen Nachmittag einstellte.
Uns vergingen jene Wochen in der dalmatinischen Landschaft, auf dieser Insel mit ihren Buchten, ihren Hügeln und biblischen Tälern, als ob wir exterritorial, von der Welt abgesondert wären. Wir waren glücklich, wenn wir die Augen aufschlugen und den schimmernden blauen Himmel über uns erblickten und weiße Segel auf dem Meer. Die Schiffe, die fast gleichzeitig, gewöhnlich um Mittagszeit, aus dem Süden und aus dem Norden, aus Dubrovnik und aus Split kamen, brachten Zeitungen aus aller Welt. Während wir sie lasen und die Nachrichten besprachen, verloren wir die Exterritorialität, die Vorgänge in Deutschland warfen uns in die Zeit zurück.“
Ölgemälde
Die „gut dotierten Porträtaufträge“, die Ziegler den Kauf seines Hauses in Korčula ermöglichten, stammten von dem mit ihm befreundeten Zagreber Bauunternehmer Ernest Ehrlich und dessen Frau Laura. Das Porträt der beiden Schwestern Marta und Erna Ehrlich ist heute eins der wichtigsten Bilder der Neuen Sachlichkeit in der Richard-Ziegler-Stiftung Calw. „Es handelt sich um ein intimes Familienbild … lebt von der atmosphärischen Lichtführung, die den weiblichen Wesen schmeichelt und die beiden, wesensmäßig unterschiedlichen Figuren wie in einem Lichtbogen zusammenführt“ (Eva-Marina Froitzheim).
Im gleichen Stil schuf der Künstler ein Selbstbildnis, das ihn im eigenen Garten zeigt mit Trauben in der Hand – er selbst interpretierte sie als „Früchte meiner Arbeit“.
Landschaftspastelle
Henri Quatre
Der deutsche Schriftsteller Heinrich Mann (1871–1950) war 1933 ins französische Exil gegangen. Dort schrieb er seinen zweibändigen Roman „Die Jugend des Königs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Königs Henri Quatre“ (erschienen 1935 und 1938).
„Ein Buch über Heinrich IV. von Frankreich und schon deshalb nicht nur ein historischer, sondern auch ein politischer Roman … ein opulentes Sittengemälde mit viel Fleischlichkeit und auch viel Blut … ein Buch über die Geschichte Frankreichs, aber durch die Zeichnung einzelner Figuren eben auch ein Buch über Nazi-Deutschland.“ (F. Althoff)
Das Leben des französischen Königs in der bewegten Zeit der Hugenottenkriege bot Ziegler reichlich Stoff, Henri und seine Freunde und Feinde mit bildnerischen Mitteln zu charakterisieren. Die ersten Zeichnungen und Zeichendrucke, die in Korcula entstanden, hat Ziegler für ihre Veröffentlichung 1967 im Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, wesentlich überarbeitet und ergänzt.